Gedanken zu… Behinderung

Behinderung ist ein Wort, dass viele an einen sabbernden Menschen im Rollstuhl denken lässt. Dabei heißt es doch eigentlich, dass man behindert wird.

Das kommt dann in der Regel von äußeren Umständen und das kennt eigentlich auch jeder, egal wie gut er zu Fuß ist. So kann es schon mal vorkommen, dass man sein Auto auf der Autobahn parken muss, weil man von der Blechlawine vor einem behindert wird und so ist es eben auch bei Rollstuhlnutzern. Nur sind es da Treppen, defekte Aufzüge oder überzogene Brandschutzbestimmungen. Behinderung von Behinderten behindert dann den Menschen. Oftmals so sehr, dass die Teilhabe am gesellschaftlichen und sozialen Leben nicht möglich ist, weil man den Treffpunkt seiner Freunden nicht erreichen kann. Natürlich könnten die auch woanders hin gehen, aber mal ehrlich – würdest du dich wohl fühlen, wenn andere immer wegen dir ihre Pläne ändern müssten? Oder willst du immer vorher recherchieren, ob du einen Ort überhaupt erreichen kannst? Das kann einen jungen spontanen Menschen schon ganz schön in seinen Möglichkeiten beschneiden.

Moment mal, hat der grad jung gesagt? Ja hat er und da kommen wir zu einem weiteren Stereotypen. Der stereotypische Rollstuhlfahrer, ist langweilig, unstylisch und macht ja sowieso nix, außer Enten füttern im Park. Falsch! Es gibt mittlerweile so viele junge, selbstständige und abenteuerlustige Rollstuhlfahrer, wie es langweilige Nichtbehinderte gibt und ich bin mir sicher, von letzteren gibt es sogar noch weitaus mehr. Rollstuhlfahrer gehen feiern, allein, mit Freunden oder auch mit ihren Assistenten, wenn sie denn welche brauchen. Sie machen Sport, ganz unterschiedlicher Art und achten auf ihr Aussehen, auf ihren Style. Eigentlich machen Rollstuhlfahrer all das, was Nichtbehinderte auch machen und auch wieder nicht, eben auch wie Nichtbehinderte. Der eine mag das, der andere das und das dafür nicht. Diese Vielfalt und diese Entscheidungsmöglichkeiten müssen wir allen zugänglich machen. Jeder sollte für sich entscheiden können, ob er nun in diese Bar oder die andere möchte. Diese Entscheidung sollte einem nicht von ein paar Stufen abgenommen werden dürfen.

Bild von Malte Wittmershaus

Bild von Malte Wittmershaus

Barrierefreiheit ist ein großes Ziel und doch ist es nur ein Wegpunkt in Richtung Inklusion, denn klar kann ein sportlich, aktiver Rollstuhlfahrer durchaus in der Lage sein, gewisse Barrieren zu überwinden, aber auch den unsportlichen oder höher gelähmten, auch den Muskelkranken und E-Rollifahrern, sowie allen anderen, muss diese Vielfalt offen stehen. Deswegen setze ich mich für Barrierefreiheit ein, auch wenn ich bisher noch jede Treppe mit allen Rädern hoch und runter gekommen bin. Erst wenn wir wirklich frei sind in unseren Entscheidungen, wo wir hin gehen, was wir machen und mit wem wir das machen, dann können wir eine inklusive Gesellschaft erreichen! Wenn wir das dann geschafft haben, schaffen wir dann auch das Wort Behinderung ab? Ich denke nicht, denn am Ende ist es ja eine physische Einschränkung, die uns bei bestimmten Situationen behindert, z.B. beim Treppen steigen. Nur vielleicht müssen wir dann nicht mehr so oft die Behinderung des einzelnen in den Vordergrund stellen, weil wir uns darüber ja gar nicht mehr so viele Gedanken machen müssten. Dann sind es doch alles nur Menschen, wie du, wie ich, wie die Leute da draußen. Dann lernen vielleicht auch Medien, Presse, Politiker und die Krankenkassen, dass man über Menschen mit Behinderung nichts pauschalisieren kann. Man kann ihnen helfen, wenn man sie fragt oder bei Gesetzen und Regelungen mitreden lässt. Man darf sie aber nicht bevormunden, wie es viele Regelungen, Bestimmungen und Gesetzte derzeit tun. Selbt gut gemeinte Regelungen schränken einen im täglichen Leben oft ein. Sei es nun der zu volle Bus, wo man im strömednen Regen auf den nächsten warten muss, weil da nur einer rein darf oder der verwehrte Ausblick vom Fernsehturm. Gar nicht erst reden wollen wir vom Club und Kneipenerlebnissen oder von spontanen Bahnreisen. Letztere wollen doch glatt, dass man für jede kleine regionale Zugreise eine Anmeldung macht, mit genauer Abfahrts- und Ankunftszeit und das auch noch mindestens 24 Stunden vorher. Spontanität, weil gerade ein Kumpel angerufen hat, er hätte noch ein Ticket für das Fußballspiel ergattern können oder für das Konzert, ist also oft nicht drin. Ist es auch noch so schön, dass man eine Begleitung kostenlos mitnehmen kann, so ist es oft auch echt deprimierend, dass man unter seinen Freunden einen auslosen soll, der dann als einziger mit dir auf den Rolliplatz darf. Mit allen Freunden zusammen ein Fußballspiel genießen oder zusammen auf einem Konzert abgehen ist oftmals nicht drin.

Was also behindert einen mehr? Die Behinderung an sich? Die Gesellschaft? Barrieren? Regelungen? Oder einfach die Unflexibilität derer, die sich an solchen Regelungen dann aufhängen? Schwer zu sagen, irgendwie ist es auch alles ein bisschen und manches ein bisschen mehr, bei jedem natürlich auch wieder anders.

Wo wir wieder dabei sind: Wir sind alle anders, egal ob wir stehen, laufen, sitzen oder kriechen. Wir sollten also auch genauso individuell behandelt werden. Wenn wir mal auf die Schnauze fallen, dann müssen wir nicht innerhalb von 10 Sekunden wieder im Stuhl sitzen, wir können auch mal kurz am Boden liegen bleiben, ihr müsst uns nicht begrabschen und an uns zerren. Ihr könntet stattdessen einfach mal fragen wie es uns geht da unten! Wenn wir Hilfe benötigen, werden wir eure Frage mit ja beantworten oder euch darauf aufmerksam machen, sagen wir aber nein, dann heißt es auch nein, verdammt nochmal! Stolpert ihr nie? Seid ihr noch nie auf die Fresse geflogen? Was habt ihr dann gemacht? Ihr seid aufgestanden, richtig? Also, warum sollten wir das nicht auch einfach so machen, auch wenn es vielleicht etwas unbeholfener aussieht und länger dauert. Wenn ihr es vielleicht nicht alleine geschafft habt, dann hat euch aber sicher auch keiner einfach so hochgezerrt, sondern hat euch gefragt, vielleicht auch nur die Hand gereicht. Denkt da mal drüber nach! Solltet ihr jemanden in Not sehen, auf Schienen, oder auf der Straße mit nahendem Auto, dann holt ihr ihn dort natürlich weg, aber das macht ihr bitte auch mit Nichtbehinderten, solange ihr euch selbst nicht in Gefahr begeben müsst!!! Merkt ihr schon worauf ich hinaus will? Ihr könnt einen behinderten Menschen behandeln, wie ihr jeden anderen auch behandelt! So viel Unterschied ist da gar nicht, denn aller Unterschiede zum Trotz: Menschen sind wir alle!

So genug Gedanken aufgeschrieben, sind vielleicht etwas ungeordnet, aber so sind Gedanken eben manchmal. Ich hoffe ich kann damit auch ein wenig zum Denken anregen. Niemand macht alles richtig, aber bevor man alles falsch macht, einfach mal den Kopf benutzen und dann erst handeln. 😉


Text: David Lebuser

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